Rede zum Haushaltsentwurf für das Jahr 2017

13.10.2016
Thilo Seipel, Fraktionsvorsitzender
Thilo Seipel, Fraktionsvorsitzender

Sehr geehrte Frau Stadtverordnetenvorsteherin,

sehr geehrte Damen und Herren,

sehr geehrte Vertreter der Presse,

liebe Gäste,

das Haushaltsrecht ist eines der zentralsten Rechte des Parlamentes; die zugehörigen Haushaltsreden sind traditionell der Höhepunkt eines jeden Jahres in diesem Hause. Mir fällt die ehrenvolle Aufgabe zu, den Reigen der Redner heute zu beschließen.

Der Ihnen vorliegende Haushalt gibt mit Sicherheit Anlass zur Kritik. Bereits im Vorfeld wurde ausgiebig über die vorgesehene Anhebung der Kindergartenbeiträge diskutiert; auch die Anhebung der Grundsteuerhebesätze stößt nicht gerade auf helle Begeisterung. Hinsichtlich der Anhebung der Gewerbesteuerhebesätze wurden im Übrigen auch Sorgen an uns herangetragen, wenn auch weniger öffentlich. Nicht zuletzt die Kürzung der freiwilligen Leistungen sorgt für Zündstoff. Sie sehen: Die „Knackpunkte“ des Haushalts sind uns wohl bewusst.

Dennoch halten wir Freien Demokraten das vorliegende Gesamtpaket für realistisch und weitgehend ausgewogen. Ich will Ihnen anhand der genannten Knackpunkte erläutern, weshalb dies so ist.

  1. Zur Anhebung der Grund- und Gewerbesteuerhebesätze: Wir hatten bisher mit Hebesätzen von 250 % bei der Grundsteuer B und 320 % bei der Gewerbesteuer die kreisweit niedrigsten Sätze. Insbesondere die von der vorherigen Koalition aus CDU, FDP und FWG durchgesetzte Absenkung des Gewerbesteuer­hebesatzes auf 320 % hat sich im Nachhinein als im Wahrsten Sinne des Wortes „goldrichtige“ Entscheidung erwiesen. Nicht nur konnte der Weggang großer Unternehmen verhindert werden, sondern kam es in den vergangenen Jahren zu beachtlichen Neuansiedlungen in Neu-Isenburg, die den Stellenwert und die Beliebtheit dieses Standortes vor Augen führen. Selbstverständlich ist mir bewusst, dass es am Ende eine Summe vieler Faktoren ist, die einen Standort attraktiv erscheinen lassen – so etwa auch die Anbindung an den Flughafen und das Fernstraßennetz sowie eine aktive Verwaltung (in diesem Zusammenhang ein großes Lob an Frau Quilling!) -, es ist aber eben auch der Gewerbesteuerhebesatz eine entscheidende Komponente. Jeder, der Wirtschafts­wissen­schaften studiert und sich mit steuerlicher Betriebslehre beschäftigt hat, wird dies bestätigen können. Und deshalb verteidige ich unverändert die Entscheidung der damaligen Koalition gegen die fortwährenden Angriffe seitens der SPD, denn: Unternehmensfreundliche Politik zahlt sich für die Gesellschaft aus. Die vorgesehene Anhebung des Hebe­satzes auf 345 Punkte ist aus Sicht der FDP schmerzvoll, da niedrige Steuersätze zu unseren zentralen Anliegen zählen; es handelt sich jedoch weiterhin aller Wahrscheinlichkeit nach um den kreisweit niedrigsten Hebesatz. Und das ist uns wichtig, denn wir dürfen nicht an dem Ast sägen, auf dem wir sitzen! Erfreulicherweise teilen unsere Koalitionspartner diese Sichtweise.

  1. Die Grundsteuerhebesätze zählten bisher ebenfalls zu den kreisweit niedrigsten und werden auch künftig weiterhin im untersten Bereich des Kreises liegen. Auch das war und ist eines der zentralen Anliegen der FDP! Die Grundsteuer, so wie sie heute noch angelegt ist, ist dringend überarbeitungs­bedürftig; allein schon wegen der Einheitswerte, die seit Jahrzehnten überholt sind. Gerade in Neu-Isenburg sind die Grundstückwerte in den vergangenen Jahren enorm gestiegen, ohne dass das Steueraufkommen hiermit Schritt gehalten hätte. Eine Anhebung ist aus unserer Sicht sinnvoll, um nicht nur die Unternehmen, die im Übrigen auch die Grundsteuer entrichten, einseitig mit dem Ausgleich des Defizits zu belasten. Eine maßvolle zusätzliche Belastung der Hauseigentümer auf einem weiterhin niedrigen Niveau ist aus unserer Sicht vertretbar und angemessen; und da es eben bei einer überschaubaren Mehrbelastung auf niedrigem Niveau bleibt, halten wir auch die hieraus resultierenden Neben­kostensteigerungen für die Mieter für zumutbar. An dieser Stelle darf ich daran erinnern, dass an den enormen Nebenkostensteigerungen der vergangenen Jahre in Deutschland – man spricht oft von der „zweiten Miete“ – nicht die Grundsteuern schuld sind, sondern vor allem die Verbrauchs- und hier besonders die Strompreise – hervorgerufen durch eine Energiepolitik, die ich teilweise nur als abenteuerlich und planwirtschaftlich bezeichnen kann.

Eine weitere Anhebung der beiden Hebesätze bzw. eine Orientierung an den Nivellierungshebesätzen lehnen wir entschieden ab. Bevor weiter an der Steuerschraube gedreht wird, muss gespart und müssen Strukturen in der Verwaltung effizienter gestaltet werden. Hinzu kommt eine verstärkte interkommunale Zusammenarbeit: Mit dem DLB AöR haben wir einen gemeinsamen Betrieb mit Dreieich geschaffen, der künftig auch weitere übergreifende Aufgaben, wie das Bestattungswesen, übernehmen könnte. Ich bin optimistisch, dass uns die Umsetzung weiterer Umstrukturierungs- und Sparmaßnahmen in der Koalition gelingen wird.

  1. Die Anhebung der KiTa-Gebühren ist schmerzhaft, sie fällt aber bei Weitem nicht so stark aus, wie anfänglich diskutiert. Wir dürfen nicht vergessen, dass über 20 Jahre lang keine Anhebung vorgenommen wurde! Und vergessen dürfen wir auch nicht, dass die vorgesehene Anhebung die zusätzliche Belastung der Stadt Neu-Isenburg aus den jüngsten Tarifabschlüssen nicht kompensieren wird. Das heißt, der städtische Anteil an den Betreuungskosten verbleibt weiterhin auf dem bisherigen hohen Niveau. Die jeweils zehn Prozent­punkte Anfang 2017 bzw. Mitte 2018 sind daher aus unserer Sicht vernünftig; sie tragen auch dem hohen Niveau der Kinderbetreuung in Neu-Isenburg – Stichwort: höherer Personalschlüssel – und der Qualität der Einrichtungen Rechnung. Über die künftige Indizierung wird es uns gelingen, diese unschönen Gebührensprünge zu vermeiden.

  1. Die Kürzung der freiwilligen Leistungen, so etwa der Vereinszuschüsse, um 10 % wird sich in den Kassen der Vereine bemerkbar machen. Ich glaube aber nicht, dass es hier zu einem Kahlschlag im Angebot der Vereine kommen wird. Eher sollten die Vereine die Chance nutzen, ihre Strukturen effizienter zu gestalten und auch über die Einnahmenseite nachzudenken. Ich selbst bin Mitglied in diversen Vereinen, bei denen zum Teil sehr niedrige Mitgliedsbeiträge aufgerufen werden. Wem wirklich etwas am ideellen Zweck eines Vereins liegt, der sollte auch bereit sein, ein bisschen mehr zu geben. Nicht vergessen darf man hier, das gerade die Sportvereine hier in Neu-Isenburg eine, wie mir von fachlicher Seite bestätigt wurde, überdurchschnittlich gute Infrastruktur vorfinden. Der Sportpark, in dem die Stadt in den vergangenen Jahren immer wieder investiert hat, sucht seines Gleichen. Und ich weise darauf hin, dass keine Nutzungsgebühren erhoben werden. Das Schwimmbad wurde aufwendig saniert. Die Hugenottenhalle wird den interessierten Vereinen einmal im Jahr mietfrei zur Verfügung gestellt; nur die Nebenkosten sind zu tragen. Diese Voraussetzungen sollte man sich bei allem Wehklagen immer wieder vor Augen halten!

In diesem Zusammenhang bin ich übrigens sehr dankbar, dass wir nunmehr eine Prioritätenliste haben, die aufzeigt, wann und in welchem Umfang Sanierungsarbeiten in den städtischen Sportanlagen notwendig sind.

Sorge bereitet mir hier einzig und allein der Bereich der Bildung: Während auch in diesem Haushalt Mittel zur – un­abding­baren – Sanierung der Laufbahn im Sportpark und damit für eine Sporteinrichtung bereitgestellt werden, droht einer unserer Bildungseinrichtungen das Aus: Es handelt sich hierbei um die Musikschule. Diese stellt eine beachtliche und für unser Bildungsangebot unabdingbare Ergänzung dar! Hier stemmt ein Verein seit Jahren ein Angebot, das in anderen Städten durch die öffentliche Hand dargestellt wird. Wir Freien Demokraten appellieren daher eindringlich an den Magistrat, sicherzustellen, dass der Fortbestand der Musikschule, die bereits massiv die Elternbeiträge anheben musste, nicht gefährdet wird. Musikunterricht darf nicht zum Luxusgut werden! Der Bildungskanon aus den Angeboten der VHS, der Stadtbibliothek und eben der Musikschule muss erhalten bleiben!

Meine Damen und Herren, nachdem ich auf die Kritikpunkte des Haushalts eingegangen bin, will ich die künftigen Aufgaben und die Chancen der Koalition eingehen.

  1. Mit der Hugenottenhalle haben wir einen zentralen und attraktiven Veranstaltungsort. Dieser muss aber auch anziehend bleiben und modernen Standards genügen. Daher wird die umfassende Sanierung der Hugenottenhalle nach derjenigen des Schwimmbades und des Rathauses die nächste Mammutaufgabe sein, die wir stemmen müssen. Daher ist es erfreulich, dass dieser Haushalt bereits Planungsmittel enthält. Wichtig dabei ist, dass diese Planungsmittel auch den Umbau unserer Stadtbibliothek einbeziehen. Als zentraler Ort der selbstbestimmten Fort- und Weiterbildung kommt ihr ein enormer Stellenwert zu. Ergreifen wir die Chance, durch einen zeitgerechten Umbau der Stadtbibliothek Konflikte zwischen den einzelnen Nutzern zu vermeiden und diesen Bildungsleuchtturm weiter strahlen zu lassen. Ziel des Umbaus von Hugenottenhalle und Stadtbibliothek muss es sein, an dieser exponierten Stelle ein architektonisch ansprechendes Kultur- und Bildungszentrum im Herzen Neu-Isenburgs zu schaffen und damit einen Beitrag zur Stadtverschönerung zu leisten!

  1. Die Tiefbauarbeiten im Birkengewann haben begonnen; es entsteht ein neuer Stadtteil mit zusätzlichen Einwohnern. Aber auch im Stadtquartier Süd werden wir hoffentlich in nicht allzu langer Zeit die ersten Baumaßnahmen beobachten können. Es ist gut möglich, dass wir die Zahl von 40 Tsd. bei den Einwohnern knacken. Aber nicht nur die Zahl der Einwohner wird wachsen, sondern auch diejenige der Einpendler, sofern weiter eine vernünftige Wirtschaftspolitik betrieben wird. Wir benötigen daher eine entsprechend leistungs­fähige Infrastruktur und eine Verkehrspolitik, in der es zu keiner einseitigen Bevorzugung des motorisierten oder des nicht motorisier­ten Individualverkehrs kommt. Eine Verlängerung der RTW über die Frankfurter Straße hinaus begrüßen wir daher; zu einer Reduzierung der Fahrstreifen auf der Friedhofstraße darf es nicht kommen!

  1. Einer Optimierung des Verkehrsflusses für alle Verkehrsteilneh­mer bedarf es aus unserer Sicht unverändert am Knotenpunkt Carl-Ulrich-Straße / Hugenottenallee / Schleussnerstraße. Zwar hat es bereits Anpassungen der Ampelschaltung gegeben; aber gemäß der Devise „weniger ist oftmals mehr“ ist es weiter­hin unser Ziel, einen echten Kreisel ohne Ampeln zu schaffen: Oder frei nach Udo Jürgens: „Ich wünsch‘ mir Kreiseln ohne Ampel!“ Wir werden uns im Rahmen der kommenden und dringend notwendigen Planungen für die weitere Umgestaltung der Schleussnerstraße und Carl-Ullrich-Straße für diese Variante einsetzen. Ich glaube, der Iseborjer kann Kreisel!

  1. Unsere Stadt muss schöner werden. Insofern freue ich mich, dass der Haushalt nunmehr auch Mittel von 100 TEUR für einen Ideenwettbewerb zur Umgestaltung der Innenstadt enthält. Übrigens: Erfreulich ist, dass im Rahmen des Ideenwettbewerbs auch verschiedene Ansätze für die Errichtung eines Parkleitsystems erarbeitet werden sollen. Ein solches halten wir für dringend erforderlich! Stichwort „Schöner werden“: Bei der Frankfurter Straße und der Fußgängerzone gibt es wahrlich viel Luft nach oben. Wir müssen hier aber auch bereit sein, eingetretene Pfade zu verlassen. Die probeweise Öffnung der Fußgängerzone ist für uns weiterhin ein Thema, das es zu überlegen gilt – ebenso ist die Reaktivierung stillgelegter Brunnen eine Möglichkeit, in kurzer Zeit mehr Aufenthaltsqualität zu schaffen. Auch durch eine stilvolle Illumination unserer Plätze, z. B. des Alten Ortes, lassen sich Aha-Effekte erzielen. Sie sehen, Stadtverschönerung ist nicht nur das Bohren dicker, sondern auch dünner Bretter, wo mit relativ geringem Aufwand Verschönerungen umgesetzt werden können. Ich erhoffe mir, dass wir durch eine Anpassung und Weiterentwicklung unserer Planungen schlussendlich in das Stadtumbauprogramm aufge­nommen werden, nachdem wir hier zunächst noch gescheitert sind. In diesem Zusammenhang erhoffe ich mir große Impulse vom geplanten „Hugenottenpark“ im Stadtquartier Süd, der verwirklicht werden muss! Die Entwicklung neuer Stadtteile und das Schaffen von Urbanität kann nur im Einklang mit ansprechenden Plätzen und grünen Lungen erfolgen!

Meine Damen und Herren, mit der „Tansania“-Koalition hat sich eine neue und bunte Formation zusammengefunden. Und Tansania ist hier eben nicht zu verwechseln mit den politischen Verhältnissen in diesem Land, wie dies hier schon einmal von anderer Seite gesagt wurde, sondern es ist eine lebendige und diskussionsfreudige Koalition. Wir sind bei weitem nicht immer einer Meinung und tauschen uns gerne lange aus, am Ende aber sind wir bisher immer zu einer für alle tragfähigen Lösung gekommen. Auch menschlich haben wir zusammengefunden. Von dem ein oder anderen Antrag, der hier seitens der Opposition vielleicht auch mit dem Ziel gestellt wurde, einen Keil in die Koalition treiben zu wollen, haben wir uns nicht beirren lassen. Die anfängliche Skepsis bei den einzelnen Partnern in der Koalition ist zwischenzeitlich einem gewissen Optimismus gewichen – und als Kandidat zur letzten Bürgermeisterwahl weiß ich, was Optimismus für Energie freisetzen kann! -, so dass ich denke, dass wir gemeinsam die Themen der kommenden Jahre angehen können und wollen. Die Chance der Koalition sehe ich hier in dem Zusammenfluss der verschiedenen Ideen und Lösungsansätze gleich dreier Parteien und natürlich auch des Vertreters der FWG, meinem lieben Freund Bernd Totzauer.

Und glauben Sie mir: Auch wenn es in Zukunft einzelne Themen geben wird, in denen wir vielleicht nicht gemeinsam abstimmen, so ist das kein Bröckeln der Koalition, sondern Zeichen einer im besten Sinne des Wortes lebendigen Demokratie und die Vielfalt der Meinungen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der vorliegende Haushalt tut uns allen weh, aber er ist notwendig. Die externen Einflüsse durch die Neuordnung des Kommunalen Finanzausgleiches, gegen den die Stadt völlig zu Recht Klage erhoben hat, lassen derzeit keine Alternativen als Einnahmeerhöhungen und Ausgabenkürzungen zu. Ein Stück weit wird die Stadt hier für ihren Erfolg bestraft; aber was hilft es: Machen wir das Beste draus. Wir Freie Demokraten können den Haushalt unter den gegebenen Umständen vertreten und werden ihm daher in der kommenden Lesung zustimmen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zu guter Letzt einige Worte des Dankes an Sie richten: Ich danke

  • den Damen des Stadtverordnetenbüros für ihre unermüdlichen Dienste und ihre Geduld,

  • unserer Stadtverordnetenvorsteherin für die souveränen Sitzungsleitungen

  • dem Magistrat für seinen parteiübergreifenden Einsatz

  • den Koalitionspartnern, allen voran Maria Sator-Marx und „meinem Kumpel“ Patrick Föhl für die freundschaftliche Zusammenarbeit

  • allen Abgeordneten für den fairen und respektvollen Umgang, und ja, das will ich betonen: Auch wenn es hier schon Kritik gab, so sehe ich unseren Umgang als fair und sachlich an

  • den Vertretern der Presse für ihre Berichterstattung

  • meinen Fraktionskollegen Susann Guber – ich hoffe, ich bin ein würdiger Nachfolger, liebe Susann – , Jörg Müller und Alexander Jungmann als FGF sowie unserem Stadtrat Frache für die gute Zusammenarbeit und Unterstützung. Ihr seid eine starke Truppe!

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche uns weiterhin gute Beratungen!

Thilo Seipel

Fraktionsvorsitzender